Die Reise des Helden

Die klassischen Heldenepen folgen oft einer bestimmten Dramaturgie. Ein Außenseiter, mit dem niemand rechnet und der nur vage Vorstellungen von der Welt hat, erlebt eine Reihe von Prüfungen. Er bekommt von ihnen nur am Rande mit, dass es eigentlich elementare Prüfungen sind, und wird am Schluss, oft zu seinem Erstaunen, zum großen Helden. Ganz klassisch ist diese Dramaturgie bei Artus und Parzival vorhanden, in modernerer Form in der Unendlichen Geschichte von Michael Ende. Bei diesen Geschichten ist zuerst das "reine Herz" der Helden von zentraler Bedeutung. Ihre Absichten sind rein, oder sie werden unabsichtlich in ihr Schicksal gestoßen. Sie haben das Herz am rechten Fleck, wie man sprichwörtlich sagt, und das ist es, was sie am Schluss zu Helden macht. Aber zu Beginn sind sie gerade durch diese Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit und Schlichtheit Ausgestoßene in einer Welt, in der Unrecht, Selbstsucht und Prahlerei herrschen. Es sind, mit einem Wort: Narren. Diese Narren leben oft in einer eigenen Welt, sei dies abgeschieden von der Welt wie Parzival oder in einer Welt der Bücher wie Bastian Baltasar Bux. Dadurch bewahren sie etwas in sich, was anderen, die in der Welt und ohne Phantasie leben, verloren geht. Man könnte sagen, sie haben eine Erinnerung an das Paradies in sich bewahrt.
Einen solchen Narren treffen wir auch im Tarot wieder, etwas weltfremd und verträumt, aber dafür voller Leichtigkeit des Seins. Aber diese Losgelöstheit vom Sein kann nicht ewig dauern, und der Narr wird aus seiner eigenen kleinen Welt herausgerissen, oft durch jemand oder etwas, der ihm eine Verantwortung auferlegt, die ihm zuerst allzu groß scheint. Aber er wird herausgerissen und befindet sich nun plötzlich in einer Welt, in der er sich nicht auskennt. Aber just in diesem Moment bekommt er eine Hilfestellung in Form eines Vorbildes oder gar eines Lehrers in Form eines Merlins, eines Magiers. Diese Vorbilder bringen dem Narren sehr viel bei, und der Narr identifiziert sich sehr stark mit ihnen, eifert ihnen nach. Und wieder fühlt er sich sehr sicher und befindet sich in seiner eigenen Welt. Aber plötzlich wird er mit einer höheren Kraft konfrontiert, einer Vorsehung oder einer Vision oder einem Schrei von innen, der in einem Buch widerhallt. Er spürt einen Ruf und kann nicht sagen, ob dieser Ruf von innen oder außen kommt, oder er steht an einer Schwelle zu einem Tempel, hinter der eine Stimme zu vernehmen ist: Die Stimme der Hohepriesterin...

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6 Kommentare:

  1. Die Stationen der Reise

    Vertraute Welt: eigentlich ist alles in Ordnung
    Die vertraute Welt ist stabil, Hero.s geht es soweit gut, und im Großen und
    Ganzen ist alles in Ordnung. Es ist keinesfalls so, dass Hero.s leidet, einen
    starken Veränderungswunsch hat, oder von sich aus zur Reise aufbrechen will.
    Hero.s in der vertrauten Welt ist normalerweise nicht unglücklich. Vielleicht
    spürte dumpf und unbewusst, dass es im Leben mehr gibt. Aber wenn der Herold
    kommt und den Ruf des Abenteuers überbringt, dann ist Hero.s davon nicht begeistert.
    Wenn in einer Hero.sgeschichte die vertraute Welt dargestellt wird, dann wird
    sie grundsätzlich positiv dargestellt - in der Hero.s gut aufgehoben ist.
    Im Nachhinein oder von außen betrachtet ist natürlich überdeutlich klar, was
    nicht in Ordnung ist, wieso Hero.s zur Reise aufbrechen muss und warum der Ruf
    des Abenteuers selbstverständlich Gehör findet. Anders formuliert: im Veränderungsmodell ist die vertraute Welt Punkt A und hier wird sowohl das Ziel, als auch die Motivation für die Reise begründet.

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  2. Der Ruf des Abenteuers: der Veränderungswunsch wird bewusst
    Der Ruf des Abenteuers wird vom Herold überbracht. Meistens handelt es sich beim Herold um einen Menschen, es kann aber auch ein Ereignis oder ein Gegenstand sein. Mit dem Ruf des Abenteuers wird unübersehbar, was in der vertrauten Welt absolut nicht in Ordnung war. Der Ruf kommt unpassend, ungelegen, ungeliebt.
    Hero.s zögert, verweigert sich, versucht vielleicht zu fliehen. Der Herold bekommt natürlich keinen Dank - ganz im Gegenteil. Doch letztendlich ist Hero.s klar, dass es keine wirkliche Alternative zur Reise gibt. Oder anders gesagt:
    wer sich dem Ruf des Abenteuers wirklich verweigert, ist kein Hero.s.
    An dieser Stelle der Reise ist Hero.s nicht aktiv, sondern ganz im Gegenteil:
    der Ruf kommt zu Hero.s, der Ruf kommt über Hero.s. Zufall spielt hier oft eine große Rolle.
    Die Szene, in der Hero.s den Ruf annimmt und die Reise beginnt, ist der Moment, wo Hero.s wieder aktiv sein kann. Das ist zum Beispiel die bewusste Formulierung des Ziels.
    Ich möchte das!/ /Ich will nicht mehr verzichten...

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  3. Überschreiten der ersten Schwelle: Eintritt in die magische Welt
    Die Schwelle trennt die vertraute Welt von der magischen Welt, das Bewusste vom Unbewussten, das Diesseits vom Jenseits, das Bekannte vom Unbekannten, die Außenwelt von der Innenwelt. Jede Hero.sreise ist immer auch eine Reise zum eigenen Selbst.
    Das Überschreiten der ersten Schwelle ist nicht leicht. Hero.s wird mit den eigenen Ängsten konfrontiert und häufig trifft auf einen Schwellenhüter.
    Außerdem ist die Schwelle der »Punkt ohne Wiederkehr«: ab hier ist der Weg in die tiefste Höhle kürzer, als der Rückweg in die vertraute Welt. Das ist Hero.s aber normalerweise nicht bewusst. Meistens nimmt Hero.s sogar noch irrtümlich an, auf dem direkten Rückweg zu sein und nur ein paar Schönheitsreparaturen
    vorzunehmen.
    Mit dem überschreiten der ersten Schwelle gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass Hero.s auf einer Reise ist. Vorher hätte man vielleicht noch so tun können, als ob das alles nicht viel bedeutet. Mit dem Schritt über die Schwelle wird der
    Einsatz klar und auch die Möglichkeit des Scheiterns.

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  4. Transformation: Hero.s wird verwandelt
    Die Transformation ist der entscheidende Punkt der Reise. In der Transformation wird Hero.s verwandelt. Eigentlich wird Hero.s erst an diesem Punkt wirklich zu Hero.s.
    In der einfachsten Form der Erzählung besteht die Transformation aus einem Satz:

    in diesem Augenblick habe ich ES beschlossen!

    Die Transformation geht von Hero.s aus und ist aktiv. Formulierungen wie: es ergab sich, ich fand zufällig, hat mir jemand gesagt, konnte ich nicht mehr übersehen,… sind hier nicht geeignet.
    Nach der Transformation erreicht Hero.s das eigene Ziel (oder das eigentliche Ziel). Dieser Moment erscheint oft als Geschenk (passiv).

    Wenn die Transformation ausführlicher erzählt werden soll, gibt es folgende Möglichkeiten:
    Vor der Transformation ist der Tiefpunkt, der dunkelste Moment der Geschichte, die Ölbergszene:

    ich war am Ende ... ich wusste nicht mehr weiter

    In der tiefsten Höhle (Tiefpunkt) bringt Hero.s ein Opfer. In vielen großen Mythen entledigt sich Hero.s an dieser Stelle der Kleidung und ist nackt. Dies ist ein Symbol dafür, dass Hero.s auf alle äußeren Attribute und Hilfsmittel verzichtet (Logik) und und bereit ist, das Leben hinzugeben. In der »alltäglichen« Hero.sreise opfert Hero.s etwas, was wirklich wichtig ist,
    und von dem geglaubt wird, dass eigentlich nicht ohne es leben kann. Das Opfer kann eine Ressource sein, die bisher gute Dienste geleistet hat, ein liebgewonnener Glaubenssatz oder ein vertrautes Selbstbild. Oft opfert Hero.s hier das eigene Ziel selbst oder gibt das auf, wonach die ganze Reise gestrebt war.
    Von außen betrachtet sieht das Opfer häufig nach dem genauen Gegenteil aus: man versteht nicht, was dabei ein Opfer sein soll, denn er sieht vielmehr wie ein Gewinn aus oder wie die Befreiung von einer Last. Doch für Hero.s ist es definitiv das größte Opfer, das je erbracht wurde. Spirituell betrachtet stirbt hier das Ego.
    Wenn Hero.s ein Opfer bringt, dann nach der Transformation wird nicht nur das Ziel erreicht, sondern bekommt normalerweise auch das, was geopfert wurde (oder das, wofür das Opfer steht) in verwandelter Form zurück.

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  5. Die Rückkehr: Hero.s stellt das Paradies wieder her
    Hero.s überschreitet wieder die Schwelle - diesmal vom magischen Wald in die vertraute Welt. Hat das Elixier dabei und eine.n Prinze.ssi.n. Kehrt nach hause zurück und stellt das Paradies wieder her - häufig nicht nur für sich, sondern auch für die Daheimgebliebenen. Jetzt kann Hero.s zum Mentor werden.
    An dieser Stelle ist die Prämisse durch die Geschichte bewiesen. Beim Erzählen ist es allerdings meistens eleganter, die Prämisse der Erzählung voranzustellen.


    Die zwei werden vereint und feiern mit Freunden und allen Fabelwesen eine große Party.

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  6. Er kehrt getreu mir wieder
    Alle Todesangst vorüber

    Und wir sind bald vereint
    Nur seiner Treue, seinem Mute
    Sei meine Hand der Preis

    Ich werd ihn sehen
    Hätte ich eine Krone
    Dir gäb ich sie
    Wie ich dir gab mein Herz

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