8. November 2012

mu shin no shin

Es gibt einen Zustand des Ruhens in Gott, der völligen Entspannung aller geistigen
Tätigkeit, in dem man keinerlei Pläne macht, keine Entschlüsse fasst und erst recht
nicht handelt, sondern alles Künftige dem göttlichen Willen anheim stellt, sich gänzlich
dem Schicksal überlässt“. Dieser Zustand ist mir etwa zuteil geworden, nachdem
ein Erlebnis, das meine Kräfte überstieg, meine geistige Lebenskraft völlig aufgezehrt
und mich aller Aktivität beraubt hatte. Das Ruhen in Gott ist gegenüber
dem Versagen der Aktivität aus Mangel an Lebenskraft etwas völlig Neues und
Eigenartiges. Jenes war Totenstille. An ihre Stelle tritt nun das Gefühl des Geborgenseins,
des aller Sorge und Verantwortung und Verpflichtung zum Handeln
Enthobenseins. Und indem ich mich diesem Gefühl hingebe, beginnt nach und nach
neues Leben mich zu erfüllen und mich – ohne alle willentliche Anspannung – zu
neuer Betätigung zu treiben. Dieser belebende Zustrom erscheint als Ausfluss einer
Tätigkeit und einer Kraft, die nicht die meine ist und, ohne an die meine irgendwelche
Anforderungen zu stellen, in mir wirksam wird."

Edith Stein                          
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